Zwei Flatheads unter sich
Oldschool ist wohl eines der Trendausdrücke der letzten Jahre, die sowohl in der US Car als auch in der Harley Szene überall präsent ist. Was dann alles als Oldschool angeboten oder gezeigt wird, lässt einem schon manchmal die Fußnägel hochklappen, doch ganz anders ist es bei Reini aus Vaduz. Bei ihm ist alles alt was alt aussieht. Egal ob die Oldschool Bobber denen er sich verschrieben hat, oder sein seltener Ford Roadster von 1936, den Reini täglich nutzt, solange das Wetter offenes fahren zulässt. Der ehemalige Barbesitzer hat vor einigen Jahren eine Motorradwerkstatt eröffnet und sich somit seinen Traum erfüllt, alte Schätze wieder zum Leben zu erwecken und coole Bikes in seinem Stil zu bauen. Von Anfang an baute er hauptsächlich alte Harleys auf, restaurierte sie und es entstanden diverse Custombikes mit alter Basis wodurch auch der Name Bobber Garage entstand. Bei Reini ist es so, das es nicht nur die V2 Leidenschaft ist, in ihm ist auch schon in früher Jugend der V8 Virus ausgebrochen, der in vielen von uns schlummert. So kam es auch, das Reini den Ford Roadster in der Schweiz in einer Scheune fand, wo er mit Motorschaden und anderen technischen defekten abgestellt war. Das ursprünglich aus Kapstadt stammende Fahrzeug wurde innerhalb von 3 Jahren aufwendig überholt, ohne jedoch die Patina anzugreifen. Die heftigste Modifikation erhielt der Flathead Motor, der ab Werk ca. 75 PS leistete. Durch einige Änderungen am Kurbeltrieb, eine leichtere Schwungscheibe so wie Offenhauser Zylinderköpfen und einem 3 Fach Vergaser, leistet das Triebwerk nun ca. 140 PS. Zudem erhielt der Auspuff einen Bypass, der bei Bedarf geöffnet werden kann, was bei dem Dragrace 61 in Finowfurt der Fall war, wo Reini auf Anhieb den dritten Platz in der Klasse belegen konnte. „So ein Auto sagt uns der Liechtensteiner ist nicht zum hinstellen geeignet, da steht sich doch alles kaputt und wenn es nicht gerade schneit, dann fahre ich den auch, schließlich ging es in den 30er auch, nur man muss sich halt etwas Zeit nehmen“. Zu den anderen Modifikationen am Chassis und am Innenraum kommt noch eine Tieferlegung, die dem Roadster den echten Hot Rod Look verleiht, doch im nächsten Winter ist eine neue Bremsanlage fällig sagt er uns, denn die alte mechanische Bremse ist bei dem hektischen Verkehr manchmal schon etwas kriminell, da gleichmäßige Bremswirkung und Verzögerung scheinbar Tages und Wetterabhängig sind.
Am Tag des Fototermins stand in der Werkstatt noch ein altes Teil mit Flathead Motor, ein Harley- Davidson Servicar von 1940, was man ja gern auch einmal zusammen präsentieren kann. An dem Servicar machte sich Marcus Pfeil gerade zu schaffen. Der bekannte Airbrush Artist und Pinstripe Spezialist linierte gerade einen Harley Schriftzug auf das „Gepäckabteil“ der 750ccm Flatty, die ca. 35 PS leistet. Während er das Servicar in traditionellem Pinstripe bemalte, köderte Reini zwei Models mit einer coolen Party in seinem Haus am See und schon war der Tag perfekt.
In den 40ern wurden die Bikes noch angekickt
Also rauf auf die Harley, Zündung an und…. Kein Starterknopf. Ach ja, 1940 waren Bikes noch etwas für echte Männer, also einmal ankicken bitte und schon erwacht der Flathead Motor zum leben. Kupplung ziehen, ebenfalls Fehlanzeige. Fußkupplung und Handschaltung waren zu der Zeit angesagt, aber mit einem Servicar kann man an der Ampel wenigstens nicht umkippen, wenn man es nicht gewohnt ist, den linken Fuß an der Ampel nicht auf den Boden zu setzen. Nach wenigen Metern kann der Choke rein und schon läuft das überholte Triebwerk wie ein Uhrwerk, denn einmal sauber überholt ist es meistens besser als neu. Zudem waren die Flathead Motoren auch in vielen anderen H-D Modellen verbaut, mit denen Rundstrecken und Langstreckenrennen gewonnen wurden und er wurde über Jahre in den Polizei und Militärmotorrädern eingesetzt, was die Zuverlässigkeit beweist. Der bequeme Schwingsattel und der breite Lenker ermöglichen eine komfortable Sitzposition und die originalen Bremsen verzögern das Bike halbwegs anständig, aber hier eine Scheibenbremse einzubauen, das wäre Stilbruch. Entwickelt wurden diese Fahrzeuge für Transportzwecke und hätte es damals schon einen Pizzaservice gegeben, wäre es wohl das ideale Fahrzeug dafür gewesen. Bei bestem Wetter hatten auch die Models viel Spaß bei dem Fotoshooting und nach einigen Stunden stand die Rückfahrt an, denn die Models warteten ungeduldig auf die versprochene Party. Also rein in den Ford und die Kupplung treten. Auch hier die erste Überraschung, denn eine gute alte Seilzugkupplung ist eben keine Servounterstützte Hydraulikkupplung. Das einlegen der ersten Ganges war noch kein Problem, aber vielleicht hätte mir jemand sagen sollen, das der Roadster ein unsynchronisiertes Getriebe hat, dann hätte nicht jeder gehört das ich schalte, also bei jedem Gangwechsel die richtige Drehzahl anpeilen, zwischenkuppeln und dann klappt es auch mit dem geräuschlosen Gangwechsel. Auch hier muss man sich genau wie bei der Harley darauf einschießen, das alles noch mechanisch ist und das rangieren beim Ford eine echte Herausforderung für die Oberarme ist. Das Reini dem Ford eine etwas bessere Bremse verpassen will, wird mir bei einer Bremsung aus ca. 100 Km/h sofort klar, denn hier ist Muskelkraft im Bein gefragt und es sind einige Lenkkorrekturen notwendig und schon hat man gelernt, warum der Fahrlehrer immer etwas von vorausscheuendem Fahren gefaselt hat. Es ist erstaunlich wie so ein getunter 1936er Motor am Gas hängt und es ist jetzt auch verständlich, das man dieses Modell in den Fünfzigern gern bei illegalen Rennen in den USA eingesetzt hat, da es fahrbereit nur ca. 1250 Kg wiegt.
Zwei Flatheads an einem Tag zu fahren ist schon etwas ganz besonderes und es gibt ein klares Fazit. Wenn jemand wie Reini solche Fahrzeuge standfest macht, dann ist jede Tour im Auto oder auf dem Bike eine totale Flucht aus dem hektischen Alltag. Wenn man hier zu schnell schaltet, kracht es im Getriebe, wenn man zu schnell an eine Ampel fährt, dann fährt man drüber und wenn man schnell zu einem Termin möchte, dann geht das einfach nicht. Wenn man das verstanden hat und sich die Zeit für solche Schätze nimmt, dann wären die meisten Psychologen arbeitslos, denn eine einstündige Sitzung mit einem Flathead ist einfach unbezahlbar entspannend. www.bobber.li
Text und Fotos: Thunder Media Service, Frank Sander